Die gute Nachricht zuerst: Es liegt nicht an dir, sondern an uns. Vielleicht hast du schon immer geahnt, was ich dir jetzt bestätige: Wir Deutschmuttersprachler benutzen Tricks, um euch, die ihr unsere schöne Sprache lernt, das Leben schwer zu machen. Sonst wäre es doch ein Kinderspiel, oder?
Ihr müsstet nur möglichst viele Konsonanten häufen und lange Wörter bilden, Verben mit „-en“ erfinden, und fertig. Aber damit es nicht ganz so leicht ist, haben wir verschiedene Strategien, um mit unserer Sprache zu spielen und sie für euch, die ihr Standard- oder Hochdeutsch lernt, fast unkenntlich zu machen. So verschlucken wir beispielsweise gerne Buchstaben oder ganze Silben und sagen „ne“ statt „nein“; verstümmeln Wörter oder Ausdrücke und grüßen uns mit „(gun) Tach“ statt „guten Tag“; vor allem aber kürzen und kontrahieren wir Wörter nach Belieben. Das wirkt auf den ersten Blick chaotisch, aber manchmal steckt ein System dahinter, und wenn ihr das versteht, dann habt ihr den Dreh schnell raus.
Ihr fragt euch vielleicht: „Warum bilden diese Deutschen einerseits kilometerlange zusammengesetzte Wörter und kürzen andererseits andere, die ohnehin schon kurz sind? Gute Frage! Wir praktizieren eine seltsame Sprachökonomie, die sicher etwas widersprüchlich erscheinen mag, wenn wir Wortungetüme wie „Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung“ verwenden, dann aber wieder aus „um das“ „ums“ machen. In der linguistischen Fachsprache wird diese Verschmelzung zweier Wörter als „Kontraktion“ bezeichnet. Um einen Erklärungsversuch zu wagen, würde ich sagen, wir neigen dazu, die gebräuchlichsten Wörter oder Ausdrücke in der Alltagssprache zu verkürzen. Damit stehen wir nicht allein, denn im Spanischen geschieht das zum Beispiel auch, wenn man „al“ statt „a él“ gebraucht, und „del“ statt „de él“.
Während einige dieser Kontraktionen im Standarddeutschen zulässig sind, gelten andere als umgangssprachlich. Sehr verbreitet ist die Verschmelzung von Präposition und Artikel, wie diese recht üblichen Beispiele zeigen:
Kontraktion | separate Bestandteile | Standardsprache | Umgangssprache |
am | an + dem | x | |
ans | an + das | x | |
aufs | auf + das | x | |
beim | bei + dem | x | |
durchs | durch + das | x | |
fürn | für den | x | |
fürs | für + das | x | |
hinterm | hinter + dem | x | |
hintern | hinter + den | x | |
hinters | hinter + das | x | |
im | in + dem | x | |
ins | in + das | x | |
mit ’m / mi’m | mit + dem | x | |
überm | über + dem | x | |
übern | über + den | x | |
übers | über + das | x | |
ums | um + das | x | |
unterm | unter + dem | x | |
untern | unter + den | x | |
unters | unter + das | x | |
vom | von + dem | x | |
vorm | vor + dem | x | |
vorn | vor + den | x | |
vors | vor + das | x | |
zum | zu + dem | x | |
zur | zu + der | x |
Wenn du dachtest, das sei schon alles, dann irrst du dich, denn wir praktizieren die Kunst des Kontrahierens auch bei Verben, vor allem bei Modalverben. Du hast bestimmt schon einige der folgenden Beispiele gehört (in der Schriftsprache sind sie seltener zu finden, außer in umgangssprachlichen Texten, wie beim Instant Messaging oder in Fällen von fingierter Mündlichkeit in der Literatur). Und wenn nicht, sollten du sie besser lernen, denn „auf der Straße“ wird so gesprochen:
Umgangssprache | korrekte Version | Beispielsatz |
haste/hamse | hast du/haben Sie | Haste mal ’nen Euro? |
kannste/könnse | kannst du/können Sie | Kannst mal helfen? |
willste/wollnse | willst du/wollen Sie | Willste mitkommen? |
biste/sinse | bist du/sind Sie | Biste doof? |
kriegste/kriengse | kriegst du/kriegen Sie | Kriegste Angst? |
machste/machense | machst du/machen Sie | Machste mal auf? |
mach’s/macht’s | mach es/macht es | Mach’s gut! |
darfste/dürfense | darfst du/dürfen Sie | Darfste gerne mitnehmen! |
musste/müssense | musst du/müssen Sie | Musste mal probieren! |
nimma/nehmse ma | nimm mal mal/nehmen Sie mal | Nehmen Sie mal die Tasche! |
komma/kommse ma | komm mal/kommen Sie mal | Kommse rein, könnse rausgucken! |
verstehste/verstehnse | verstehst du/verstehen Sie | Verstehste das? |
Weitere verbreitete Floskeln:
Umgangssprache | korrekte Version |
So isses! | So ist es! |
Was’n los?/Was is’n los? | Was ist denn los? |
Lassma sehn! | Lass mal sehen! |
Eine weitere Unart ist, dass wir gerne – meist aus reiner Faulheit – „-er“ wie „-a“ aussprechen, was es euch Deutschlernern oft erschwert, Wörter beim Hören zu erkennen. Bei uns klingt „Pier“ wie „Pia“, „Maler“ wie „mala“, „Messer“ wie „mesa“, usw. Meine Kinder, die gerade ihre ersten Schimpfwörter lernen (natürlich nicht von mir!), finden es extrem lustig, wenn ich sie beim Frühstück nach „Butter“ frage, denn bei meiner Aussprache klingt es für sie nach einem vulgären spanischen Synonym für „Prostituierte“. Dafür machen meine Kids hier in Spanien auf sich aufmerksam, wenn sie Deutsch reden und das Wort „Feuer“ verwenden und ein Spanier „foia“ hört und etwas anderes versteht.
Einige Kontraktionsregeln:
https://www.duden.de/sprachwissen/rechtschreibregeln/apostroph
https://www.duden.de/rechtschreibung/haste
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontraktion_(Linguistik)#Kontraktionen_im_Deutschen
https://de.wikipedia.org/wiki/Klitikon
Interessante Abhandlung über die deutsche Umgangssprache: https://www.researchgate.net/publication/321749033_Ich_war_da_voll_am_arbeiten_Morphologische_Eigenschaften_gesprochener_Sprache_im_DaF-Unterricht
Welche anderen (umgangssprachlichen) deutschen Ausdrücke bereiten dir Kopfschmerzen? Schreib mir, denn vielleicht reicht die Coronavirus-Ausgangssperre noch für einen weiteren Artikel.
Hola Andre! Acabo de descubrir tu página web y me parece súper útil para seguir mejorando mi alemán de forma más entretenida. El tema de la los coloquialismos y la escritura en alemán es lo que se me hace más complicado. Me quedo por aquí echando un vistazo al resto de artículos.
Un saludo 🙂
Qué guay, me alegro de que te guste mi blog, Raquel. Si quieres, bucea un poco en el archivo (en el pasado fui mucho más activo escribiendo), que hay bastante artículos sobre la lengua (alemana).
¡Saludos desde Valencia a Berlín! 🙂
Hola Andre,
Me fascina tu blog, lo acabo de descubrir y lo compartí con un amigo que, al igual que yo, estudió alemán (y del mismo modo sufrió muchos dolores de cabeza, como tú cuando empezabas a aprender español jajaja). Estamos en plan “emprender en el mundo de la traducción”, y es excelente contar con blogs tan amenos e instructivos.
Sigue con artículos tan buenos, suerte amigo!
Un saludo desde La Habana!
Lisbany
Hola, Lisbany:
Muchas gracias por tu comentario y los elogios. Me alegro de que te guste el blog, a pesar de que lo tenga un poco abandonado.
Ah, una compañera de profesión: Seguro que se te da muy bien emprender en mundo de la traducción.
Suerte y ¡un saludo de vuelta desde Valencia!
André